Ballroom

 

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Der Tänzer im Visier – Fotografie und Tanzsport: Schärfentiefe.

Text: Helmut Römhild       Fotos und Grafik: Helmut Römhild

 


Auf Tänzer ‘schießt’ man gern – und besonders gern aus der Ecke ...

Wer beim Turniertanzen fotografiert, zielt natürlich vor allem auf das Paar im Wettkampf. Um Tänzer in der Bewegung zu erwischen, stellt sich der Fotograf gern in eine Ecke des Saals und ‘schießt’ entlang der Diagonale oder der langen Seite, wenn die Paare auf die Kamera zutanzen.

Das hat Vorteile:

•  Die Bewegung scheint aufgehoben, denn sie geschieht entlang der Sichtachse, wird also neutralisiert.
•  Vor den Ecken tanzen die Paare gern Figuren, bei denen beide in die Kamera schauen.
•  Die Ecken sind der Ort, wo Bewegung endet und bei Checks oder Posen die Paare für Momente fast reglos vor der Kamera stehen.
Der ‘Schuß’ aus der Ecke ist eine sichere Sache. So sicher, daß sich dort die Fotografen mehr oder weniger drängeln.

Etwas aber muß dabei besonders genau geplant werden: Die Schärfentiefe.

 


Schärfentiefe ist eine physische Eigenschaft, die jedes Objektiv hat,

hauptsächlich bestimmt durch Brennweite, Blendenöffnung und die gerade scharfgestellte Entfernung.

Schärfentiefe bestimmt den Bereich, in dem ein Objekt scharf aufgenommen wird.

Außerhalb dieses Bereichs wird das Objekt mehr und mehr unscharf.

Schärfentiefe nützt oder schadet dem Fotografen.

Deshalb ist es wichtig nicht zu vergessen, daß ein Tanzpaar ein 3 dimensionales Objekt ist und eine ganze Menge Platz einnimmt.

Hier einige Angaben zur Größe.
Und natürlich können die sich diese Maße ändern, vor allem aber immer noch größer werden.

Dancer Dimensions

Dancer Dimensions Birds View

 


Fotografie und Tanzsport.

Kameras verfolgen die Tänzer, Blitzlichter von allen Seiten: Völlig normal selbst für die kleinsten Veranstaltungen.
Tänzer zu fotografieren hat die unterschiedlichsten Gründe:
als nette Erinnerung, um später den Auftritt zu analysieren, für die Presse oder die Websites der Vereine.

Aber alle, die eine Kamera benutzen, haben etwas gemeinsam: Sie wollen das bestmögliche Ergebnis – weil jede Veranstaltung einzigartig ist und sich nie so wiederholen wird.

In einer Reihe von Artikeln wird ‘Ballroom’ ausgewählte Themen der Tanzsportfotografie beleuchten.

 


Gut zu wissen: Je kleiner die Entfernung der eingestellten Schärfe, desto kleiner die Tiefe der Schärfe.

Dof Ranges

Ein 70 mm Objektiv auf einer digitalen Kamera wie der Canon 40D, mit einer Blende von f/2.8, um das schlechte Licht auszugleichen, erzeugt folgende Schärfentiefe:

•  Scharfgestellt auf 2 Meter ist die Schärfentiefe 8 Zentimeter! Das reicht kaum für ein Gesicht von der Nasenspitze bis zu Augen oder Mund.

•  Scharfgestellt auf 3 Meter ist die Schärfentiefe 20 Zentimeter: in Ordnung für ein Gesicht, von vorn oder im Profil.
•  Scharfgestellt auf 5 Meter ist die Schärfentiefe 54 Zentimeter, längst noch nicht genug für ein gutes Bild vom Paar.
•  Erst scharfgestellt auf 10 Meter ist die Schärfentiefe mit 2,20 Meter ausreichend für ein ganzes Tanzpaar.

 


Auch gut zu wissen: Objektive mit kurzer Brennweite haben eine größere Schärfentiefe.

Die oft verspottete kleine ‘Digiknipse’, wie zum Beispiel eine Canon A590, erzeugt eine gewaltige Schärfentiefe.
Ursache ist die extrem kleine Brennweite der Objektive.

Der Zoom einer Canon A590, eingestellt auf vituelle ‘35mm’, was in Wirklichkeit einer Brennweite von 5,8 mm entspricht, leistet mit Blende f/2.8 folgendes:

•  Scharfgestellt auf 2 Meter ist die Schärfentiefe bereits unglaubliche 11,3 Meter.
•  Scharfgestellt auf 3, 5 oder 10 Meter ist die Schärfentiefe ‘unendlich’!
Solch eine Schärfentiefe-Leistung reicht nicht nur für ein Tanzpaar, sondern gleich für mehrere.
Es ist schade, daß diese Kameras sehr schlecht mit wenig Licht zurechtkommen, ein Handicap des sehr kleinen Kamerachips.

 


‘Schuß’ aus der Ecke, Autofokus und Schärfentiefe: Kein wirklich gutes Team.

Ein Tanzpaar bewegt sich schnell, durchquert eine Schärfezone in Sekunden.

Die Ecken-‘Schuß’ Methode hat hier ihren Nachteil:

Ein Tanzpaar, das sich auf die Kamera zubewegt, ist nur für einen Moment scharf abgebildet.

Aus diesem Grund benutzen die meisten Ecken-‘Schuß’ Fotografen ständig den Autofokus (AF).
Sie zielen normalerweise auf ein Gesicht, verfolgen dies mit dem AF, und versuchen so, die Tänzer in der Schärfezone zu behalten.

Aber was passiert dabei?

Zunächst einmal macht der Autofokus die Kamera langsamer:

Solange der AF nicht angesprochen hat, kann der Fotograf nicht auslösen.

Ein Tanzpaar aber, das sich auf die Kamera zubewegt, verkürzt rasend schnell die Entfernung und zwingt den AF, mit Dauerleistung zu arbeiten.

Zusammen mit den übrigen Aufgaben der Technik (TTL Messung, Nachladen des Blitzes, Verarbeiten und Speichern der Bilder) führt der AF dazu, daß nur sehr wenig Zeit zum Fotografieren bleibt – so wenig, daß manchmal überhaupt kein Bild gemacht wird.

Und: Zusammen mit dem AF folgt auch die Schärfentiefe den Tänzern,

wobei die Tiefe der Schärfe weniger und weniger wird, je dichter die Tänzer zur Kamera kommen.

Selbst wenn der AF in 5 Metern Entfernung anspricht, bleiben nur noch 54 Zentimeter Schärfentiefe für ein 70 mm Objektiv mit f/2.8.
Ein AF-‘Lock’ in 2 oder 3 Metern Entfernung ist mehr oder weniger unbrauchbar.

 


Der Autofokus vergeudet den größten Teil der Schärfentiefe.

Die Schärfentiefe verteilt sich in 2 Bereiche,

den Bereich vor dem Objekt, zur Kamera hin, und den Bereich hinter dem Objekt, auf das scharfgestellt wird.

Ein Fotograf, der die Ecken-‘Schuß’ Methode anwendet, will natürlich so viel Schärfe wie möglich vor den Tänzern; was dahinter vor sich geht, interessiert nicht.

Benutzt der Fotograf den AF, so bleibt nur die Schärfentiefe vor dem scharfgestellten Objekt, zur Kamera hin, häufig ein sehr kleiner Bereich, zu klein für das Tanzpaar, oft zu klein, um überhaupt irgendetwas Sinnvolles zu machen.

Die Schärfentiefe ist ungleich geteilt,

und meistens ist die Schärfezone vor dem Objekt kleiner als dahinter! (Besonders bei großen Schärfezonen.)

Der Ecken-‘Schuß’ Fotograf, der die Tänzer mit AF verfolgt, wird immer die größte Schärfezone ungenutzt lassen und mit der kleineren irgendwie zurechtkommen müßen – während sie weniger und weniger wird, wenn die Tänzer dichter und dichter kommen.

Verwendet der Fotograf ein 70 mm Objektiv mit f/2.8 und sein AF spricht in 5 Meter Entfernung an, hat er tatsächlich nicht mehr als 26 Zentimeter Schärfezone gewonnen, nämlich den Teil vor dem Tanzpaar (plus dem, was nach hinten brauchbar ist).
Tänzer in schneller Bewegung durchqueren 26 Zentimeter Schärfentiefe in Bruchteilen von Sekunden.

Ein 28 mm Objektiv mit einer Blende von f/2.8

liefert folgendes:
Scharfgestellt auf 3 Meter Entfernung ist die vordere Schärfentiefe 51 Zentimeter.
In 5 Metern Entfernung ist die vordere Schärfentiefe 1,27 Meter.

 


Shallow Frontal Dof

Deeper Frontal Dof

 


Was der Fotograf eigentlich braucht:

•  Eine große Schärfentiefe, groß genug für ein Tanzpaar, das sich bewegt.
•  Die ganze Schärfentiefe, nicht nur den kleinen, vorderen Teil.
•  Und nicht zuletzt genug Zeit, mehr als ein Foto zu machen.

Eine große Schärfentiefe, groß genug für ein Tanzpaar, das sich bewegt.

Brennweite, Blende und die scharfgestellte Entfernung besimmen die Schärfentiefe.

Auch eine kleine Blendenöffnung würde die Schärfentiefe vergrößern.
Aber das Licht ist schlecht in den meisten Tanzsäalen und läßt meistens nur große Blenden zu.

Kein Wunder also, daß viele der befriedigenden Aufnahmen mit größten Blenden von f/2.8 und mehr und hohen ISO Werten gemacht werden.

Fotos auf große Entfernung sind auch eine Möglichkeit, denn die Schärfezone wird mit zunehmender Entfernung größer.
Schade ist nur, daß mit zunehmender Entfernung auch das Licht sehr schnell schlechter wird, bedingt durch die Physik des reflektierten Lichts.

Da jedoch kurze Brennweiten ebenfalls die Schärfentiefe vergrößern, ist ein 28 mmm Objektiv eine Möglichkeit, um selbst mit einer Blende von f/2.8 die Sorgenfalten des Fotografen zu glätten.

28 mm sind kurz genug, um die Schärfentiefe deutlich zu erweitern.

Ein Objektiv mit einer Brennweite von 28 mm ist kurz genug, um die Schärfentiefe deutlich zu erweitern.
Scharfgestellt auf 3 Meter liefert es eine Schärfentiefe von 1,28 Metern., auf 5 Metern eine Schärfe über 3,86 Meter.
Und es ist dabei immer noch möglich, gutes Licht zu haben.

 


Und wie nutzt man die volle Schärfentiefe? Ganz einfach: Autofokus ausschalten!

Das ist möglich, weil ‘Scharfstellen’ nicht unbedingt heißt, auf das Motiv scharfzustellen, also zum Beispiel auf das Tanzpaar.
‘Scharfstellen’ heißt auch nicht, scharfzustellen während des Fotografierens.

Stattdessen wird das Objektiv voreingestellt und dann gesperrt:

•  Einfach den Schärfepunkt der gewünschten Schärfezone zum Beispiel mit einem Stuhl markieren.
•  Dann das Objektiv auf den Stuhl scharfstellen und auf ‘Manuell’ schalten, damit es nicht länger auf den AF reagiert. (Canon Objektive haben zum Beispiel den M/AF-Schalter außen am Gehäuse.)

Wird ein 28 mm Objektiv auf 5 Meter voreingestellt, dann steht eine Schärfezone zur Verfügung, die von 3,70 Meter bis 7,60 Meter reicht.

Der Fotograf merkt sich an Gegenständen, wo im Saal seine Schärfentiefe anfängt und aufhört.

Wenn die Tänzer die Startmarkierung überschreiten, geht’s los –  eine Schärfezone von fast 4 Metern kann voll genutzt werden!

Und weil der AF ausgeschaltet ist, wird die Kamera schneller: so schnell, daß es jetzt bestimmt für ein oder zwei ‘Schüsse’ mehr reicht!

 


DoF for prefocused lens

 
 

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Aktualisiert: 29.09.2010