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Die zweite Haut: Claudia Dunker über Kleider für Turnierdamen.
Text: Kerstin Lange Fotos: Helmut Römhild
... die Liebe zu Mailand — und zur Mode!
Nur: Die Stadt, die für Garavani, dem Chef des Modelabels Valentino, der Beginn einer einzigartigen Karriere wurde, blieb für Claudia ein Urlaubsziel.
Und ihre Werkstatt liegt am Rande von Ahrensburg, nicht in Rom oder Paris.
Doch ebenso wie in den Ateliers von Valentino findet man auch hier alles, was nötig ist, um aus Material und Vorstellungskraft etwas herzustellen, das mehr ist als nur ein Kleid: Die zweite Haut für den grossen Auftritt.
Claudia Dunker in ihrer Werkstatt.
Claudia Dunker macht Kleider zum Tanzen,
genauer: für den Wettkampf.
Sie Ist für viele Turniertänzer Ansprechpartner wenn es um Turnierkleidung geht.
Denn Claudia Dunker weiß, wovon sie spricht: Claudia Dunker tanzt, seit sie in ihrer letzten Schulklasse einen Tanzkurs besuchte.
Sie tanzt Turniere seit 32 Jahren, betreibt diesen Sport ernsthaft seit 20 Jahren.
Wieviele Turnierkleider
hat sie mittlerweile genäht?
Es dürften mehr als zwanzig sein.
Das erste Stück aus der Hand von Claudia Dunker?
Ein Jeansanzug — da war sie 16 Jahre alt.
Natürlich lässt sich Claudia immer noch vom Meister aus Mailand inspirieren:
“Ein Journal von Valentino ist für mich die schönste Lektüre. Dort hole ich mir Anregungen und Ideen.”
Man kann Kleider einfach kaufen — 
warum also sie nach Maß arbeiten lassen?
Es geht um die persönliche Note, im Tanzsport spricht man von ‘Ausdruck’.
Und das Kleid der Dame ist mit Sicherheit ein Teil davon:
“Wenn ich einmal für eine Freundin etwas mache, sehe ich mir die Person an, sehe sofort passende Farben, den Stil.”
Auf diese Weise tritt die Dame in einem Unikat an, eben jener ‘zweiten Haut’,
mit der sich das Paar von den anderen Wettkämpfern auch optisch absetzen kann.
“Beim Entwerfen der Kleider wende ich die Farblehre der Malerei an.
Ich sehe den Stoff, die Farbe, im Kopf entsteht das Bild des Kleides,
das ich nähen möchte.”
Denn auch in der Malerei ist Claudia Dunker sattelfest.
Und von den Privatstunden, die sie nimmt, profitieren nicht nur Claudias Aquarelle und Acrylbilder.
Farb- und Stoffkombinationen
machen jedes ihrer Kleider deshalb so einzigartig.Die Stoffteile, zugeschnitten nach der individuellen Schnittvorlage, werden mit der Maschine genäht. Kleider sind in der Regel eine Kombination aus den Stoffarten Lycra und ‘Georgette’.
‘Georgette’ ist nicht dehnbar, Lycra dehnt sich extrem: Der sogenannte ‘Stretchstich’ verbindet beide optimal und erhält die Elastizität. Unter diese Hülle kommt häufig noch ein Miedereinsatz.
Es geht um Beweglichkeit:
Leicht muß das Kleid sein, dehnbar und durchlässig für Wärme und
Feuchtigkeit. Dagegen ist der Frack der Herren aus Wolle/Kashmir/Mohair-Gemisch fast
schon ein Panzer.
Kristallsteine und Pailletten werden nicht aufgenäht sondern aufgeklebt.
Claudia kauft die Stoffe beim Großhändler. Auch die Miedereinsätze sind Fertigteile und werden über den Großhandel eingekauft.
Die Kleidung der Tänzer erinnert an den Ursprung der modernen ‘Zehn Tänze’.
Die Standardtänzer gehen in großer Abendkleidung in den Wettkampf — der Herr im Frack, die Dame im Ballkleid.
Denn ihre Tänze gehören auf das Parkett der großen Ballsäle.
Die Lateintänzer zeigen in ihrer Garderobe den informellen, spontanen Character der urspünglichen Tänze, erinnern an die heißen, zum Teil tropischen Länder, aus denen ihre Tänze kommen.
Besonders beim Anblick der Ballkleider
wird gern eins übersehen: Sie sind Sportkleidung und werden extrem beansprucht: Dehnung, Abrieb (Körperkontakt zwischen Herr und Dame beim Führen!), Feuchtigkeit, Zerren und Reißen (Stürze, bei Latein die akrobatischen Einlagen) — und nach dem Turnier in die Wäsche ...
Ein Material liegt hier ganz vorn: Lycra.
Lance Armstrong auf dem Rennrad, Reinhold Messner am Berg: Sport, auch in den extremen Spielarten, ist ohne Lycra nicht mehr vorzustellen.
Den letzten Schliff,
die elegante Note, verleiht hingegen ein ‘alter’ Stoff: Georgette. Leicht, als ‘Crépe Georgette’ meist durchsichtig, dabei fest, fast ‘körnig’ im Griff, wird er aus Naturfasern, heute auch aus Kunststoff gefertigt.
Nach einem Turnier
sieht man es glitzern auf dem Parkett: Die Damen haben Federn gelassen,
sprich Pailletten und Steine.
Typisches Merkmal der Turnierkleider sind die Ornamente aus Pailletten und Kristallsteinen.
Pailletten
In der Regel winzige, durchlochte Scheiben oder ebenso winzige Röhren.
Sie werden normalerweise angenäht, häufig auch verklebt.
Genähte Pailletten, also die klassische Verarbeitung, machen ein Kleid teuer: Handarbeit hat ihren Preis.
Svarovsky-Steine
Größere, oder aber winzige Kistalle. Sie können aufgenäht oder aufgeklebt werden.. Für ein Oberteil braucht Claudia zwischen 5000 bis 7000 Stück. Das Bekleben dauert etwa sieben bis zehn Tage. Das Ornament ist so haltbar, daß ein Kleid von Hand gewaschen werden kann.
©: Ballroom Website, 2008
Aktualisiert: 27.10.2008